Andacht zum Sonntag Judika - 5. Sonntag der Passionszeit

- 21. März 2021 -

Pfarrer Achim Rohländer

 

ORGELMUSIK

Joseph Gabriel Rheinberger: Präludium in e

 

BEGRÜSSUNG UND ERÖFFNUNG

„Verhilf mir zu meinem Recht, Gott!“ (Palm 43,1) - mit diesem Aufschrei beginnt der Psalm, der unserem Sonntag seinen lateinischen Namen gibt:

Judika - Verhilf mir zu meinem Recht!

Drängend und dringlich klingt dieser Schrei nach der Übersetzung der BasisBibel.

In diesem Jahr vielleicht noch drängender als zuvor.

 

Zum Himmel schreiendes Elend und Unrecht, könnte Gott da nicht einfach mal dazwischenfahren und ein für alle mal Recht schaffen?

In der Passionszeit erinnern wir uns, dass Gott schon ein für alle Mal gehandelt hat.

Aber anders als wir Menschen es erwarten: Gott durchbricht das Unrecht, indem er es auf sich nimmt und selbst den Weg des Leidens geht.

Schwere Gedankenkost, kaum wirklich zu fassen.

Und doch können wir daraus Kraft schöpfen, um Unrecht und Leid zu begegnen.

 

Herzlich willkommen zu dieser Andacht.

Ich zünde nun eine Kerze an. Vielleicht mögen Sie das zu Hause auch tun.

Als Zeichen der Gemeinschaft, der Verbundenheit mit dem, der gesagt hat:

Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

 

Wir sind zusammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

 

PSALM

 

Lassen Sie uns den Wochenpsalm miteinander beten.

Es ist der Psalm 43. Wir sprechen gemeinsam.

 

1 Verhilf mir zu meinem Recht, Gott!

Vertritt mich vor Gericht gegen das Volk,

das sich nicht an deine Gebote hält!

Rette mich vor falschen und bösen Menschen!

2 Denn du bist der Gott, der meine Zuflucht ist!

Warum hast du mich verstoßen?

Warum muss ich so traurig durchs Leben gehen,

bedrängt von meinem Feind?

3 Sende dein Licht und deine Wahrheit!

Sie sollen mich sicher führen.

Sie sollen mich zu dem Berg bringen,

wo dein Heiligtum ist – deine Wohnung.

4 Dann will ich vor den Altar Gottes treten,

vor Gott, der mich mit Jubel und Freude erfüllt.

Zur Musik der Leier will ich dir danken,

Gott, du mein Gott.

5 Was bist du so bedrückt, meine Seele?

Warum bist du so aufgewühlt?

Halte doch Ausschau nach Gott!

Denn bald werde ich ihm wieder danken.

Wenn ich nur sein Angesicht schaue,

hat mir mein Gott schon geholfen. Amen

 

GEDANKEN

 

Der Predigttext für den fünften Sonntag der Passionszeit stammt aus dem Buch Hiob. Zu den Weisheitsbüchern zählt diese Schrift.

Die darin beschriebene Figur des Hiobs - Namensgeber auch der gleichnamigen Hiobsbotschaften - erlebt eigentlich so alles, was das Leben eines Menschen zur Hölle machen kann. Ja, was die Vorstellung von einem wirkmächtigen Gott total in Frage stellt.

Reich war er, der Hiob. Eine große Familie hatte er, treue Freunde, er besaß Gut, Tiere und viele Mitarbeitende. Doch er verlor alles.

Er war fromm, rechtschaffen und gottesfürchtig, doch auch das bewahrte ihn nicht vor dem totalen Abstieg.

Das Buch erzählt von Hiobs bitterem, widersinnigen Schicksal. Und von seiner Zwiesprache mit seinen Freunden. Sie sitzen - dem orientalischen Trauerbrauch entsprechend - sieben Tagen bei ihm, weinen, kauern und trauern mit ihm. Denn auch sie wollen verstehen.

Langatmig diskutieren sie mit ihm. Wenn Gott ihm alles nimmt und ihn noch mit Krankheit schlägt, so hat er sich offensichtlich etwas zu schulden kommen lassen. Sein Schicksal kann nur Strafe Gottes sein. Irgendeinen Grund dafür muss es geben.

Doch Hiob selbst bleibt hartnäckig in seiner Verteidigung. Unschuldig sei er. Nichts Unrechtes habe er getan.

Wenn Gott ihm Böses zukommen lässt, so nimmt er das Böse genauso bereitwillig aus Gottes Hand wie vormals das Gute.

Doch lassen wir Hiob selbst zu Wort kommen.

Ich lese aus dem 19. Kapitel die Verse 19 bis 27 (Lutherübersetzung 2017)

19 Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt.

20 Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon.

21 Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen!

22 Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch?

23 Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift,

24 mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen!

25 Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben.

26 Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen.

27 Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

 

Alle, die Hiob verbunden waren, sie kehren sich schließlich gegen ihn. Ganz allein, von allen verlassen, so fühlt sich Hiob.

Vielleicht kennen wir Schicksale von Menschen, denen wir verbunden sind und denen es ähnlich ging. Vielleicht auch von uns selbst.

Verloren gingen Gesundheit, Partnerschaft, Arbeitsstelle oder Freunde. Manchmal nach langem Kampf, langer Auseinandersetzung, manchmal ganz plötzlich.

Oft bleibt dann nur Schmerz, Zerknirschung, Verzweiflung und Einsamkeit.

Hat das Leben noch Sinn?

Oder es kommt zu Wut und Aggression. Man will die Not auf Andere übertragen.

Es ist wichtig, dass Hiob seine Not nicht für sich behält. Dass er sie hinausschreit. Dass er seine Negativ-Erfahrung vor dem Vergessen schützen will, in dem er sie den Nachkommenden einprägen will.

Eine Erinnerung auch für die vielen unbekannt Leidenden.

Und doch kann derselbe Hiob, der gerade noch zu Herzen gehend flehte und jammerte, voll Hoffnung wider den Augenschein sprechen.

Auf dem Höhepunkt seiner Auseinandersetzung vertraut Hiob darauf, dass Gott ihn rehabilitieren wird. Das hebräische Wort für Erlöser - Go-el - meint ursprünglich einen Verwandten, der Hiob im Gericht auslöst und herauskauft und damit seine Ehre wiederherstellt. Hiobs Überzeugung: Gott selbst wird dies wie ein Verwandter für ihn tun. Gott wird ihn wiederherstellen und er wird Gott als seinen Löser sehen.

Hiob gelingt damit ein Durchbruch von dem dunklen, ihn scheinbar preisgebenden Gott - hin zu Gott, dem er alles zutraut. Hiob 19,25 „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben.“

Das Buch Hiob erzählt davon, was Menschen möglich ist, um Katastrophen und Krisen zu überleben und sogar gestählt aus ihnen hervorzugehen.

Unsere Fähigkeit zu hoffen geht nicht auf in den Erfahrungen, die wir sammeln, oder in dem, wie andere auf uns und unser Leben schauen.

Wir sind in der Passionszeit.

Wir erinnern Jesu Leidensweg.

In seiner Passion erlebte er sich auf dem Tiefpunkt am Kreuz von Gott verlassen.

Wie Hiob hört Jesus nicht auf, mit Gott zu reden. Ja, er befiehlt sich am Ende in die Hände des Vaters, stirbt und erfährt die Auferweckung zu neuem Leben.

Gott schenke uns, dass wir den Schatz der Hoffnung in uns spüren können.

Gott stärke unsere Vertrauen darauf, dass das, was jetzt ist, nicht alles ist und sich ändern kann. Amen

 

LIED EG 655 Aus der Tiefe rufe ich zu dir

Liedvorspiel: Oskar Gottlieb Blarr

 

1. Aus der Tiefe rufe ich zu dir: Herr höre meine Klagen, aus der Tiefe rufe ich zu dir:

Herr, höre meine Fragen.

2. Aus der Tiefe rufe ich zu dir: Herr, öffne deine Ohren, aus der Tiefe rufe ich zu dir:

ich bin hier ganz verloren.

3. Aus der Tiefe rufe ich zu dir: Herr, achte auf mein Flehen, aus der Tiefe rufe ich zu dir: ich will nicht untergehen.

4. Aus der Tiefe rufe ich zu dir: nur dir will ich vertrauen, aus der Tiefe rufe ich zu dir:

auf dein Wort will ich bauen.

 

Text; Uwe Seidel 1981

Melodie: Oskar Gottlieb Blarr 1981

 

FÜRBITTENGEBET *

 

Verborgener Gott,

den es nicht gibt, wie es etwas geben kann,

du bist nicht dort, wo wir dich zu wissen meinen.

Doch geschiehst du, wo wir dich vermissen.

 

Erweise deine Nähe,

wo nichts und niemand mehr nah ist,

wo es nichts mehr zu hoffen gibt,

wo Lebensgerüste zerfallen.

 

Erweise deine Nähe,

wo Worte und Verstehen enden,

wo das Wort „Gott“ nichts mehr sagt,

wo der Glaube ins Offene fällt.

 

Erweise deine Nähe,

wo das Elend zu groß ist, um es zu begreifen,

wo das Dunkel ohne Widerspruch regiert,

wo die tiefe Nacht alle Gewissheiten raubt.

 

Erweise Deine Nähe,

wo der Tod den Abschied von allem fordert

und Menschen zwingt,

sich selbst zu verlassen.

 

Erweise Deine Nähe,

wo Menschen selbstlos lieben und das Gute tun,

ohne es sich anzurechnen,

ohne sich besser als andere zu fühlen,

weil sie dir allein in sich Raum geben.

 

Erweise Deine Nähe,

wo du fern bist,

bei denen, die sich selbst überheben,

die andere dem eignen Vorteil opfern,

die keine Gnade und keine Vergebung kennen.

 

Verborgener Gott,

du fehlst uns

und wir ahnen doch,

dass du uns näher bist, als wir es fassen,

näher als wir uns selbst.

 

So werden wir still vor dir:

Stille

Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt

und als der letzte wird er sich über den Staub erheben.

Ich selbst werde ihn sehen,

meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder.

 

Wir beten,

wie Christus uns gelehrt hat:

 

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.