Online-Andacht am 18. April 2021 in der Versöhnungskirche

Glockengeläut

Musik

Eröffnung im Namen Gottes

Begrüßung und Einstimmung

Ich grüße Euch, liebe Geschwister in Kleve und – und, wie ich erfahren habe, auch einige von weiter weg. Ich grüße zum „Hirtensonntag“, der zweite Sonntag nach Ostern denkt an das Jesuswort: „Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“

Der Predigttext stammt vom Propheten Ezechiel, er benutzt Schafe und Hirten in seiner Predigt – deshalb wohl steht sein Text in unserer Predigtordnung. Ezechiel war so freundlich, er hat uns über mehr als zweieinhalb Jahrtausende eines seiner Schafe geschickt – ich grüße auch dich, Schaf!

Lied Evangelisches Gesangbuch 274, 1 – 2

Singen und beten möchte ich mit Euch an den Bildschirmen aus dem Wochenpsalm 23 mit einer Vertonung aus dem 16. Jahrhundert – aber nur zwei Strophen.

Der Herr ist mein getreuer Hirt, hält mich in seiner Hute, darin mir gar nicht mangeln wird jemals an einem Gute. Er weidet mich ohn Unterlass, da aufwächst das wohlschmeckend Gras seines heilsamen Wortes.

Zum reinen Wasser er mich weist, das mich erquickt so gute, das ist sein werter Heilger Geist, der mich macht wohlgemute; er führet mich auf rechter Straß in seim Gebot ohn Unterlass um seines Namens willen.

Psalm und Ehr sei dem Vater

Und den Psalm sprechen wir gemeinsam:

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.

Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, / wie es war im Anfang, jetzt und immerdar / und von Ewigkeit zu Ewigkeit. / Amen.

Aus der Bibel Ezechiel 34, 1 – 2 (3 – 9) 10 – 16. 31

Auf den Predigttext, liebe Geschwister, dürft ihr Euch freuen: Es wird viel geschimpft, aber nicht auf Euch, sondern auf die da oben, auf die, die die Gemeinde oder das Volk führen und beschützen sollen. Ich bin sicher: Ihr bemerkt sofort, wo dieser Text aktuell ist. Es liest: Das Schaf.

„Das Wort des Herrn kam zu mir:
Du Mensch, rede als Prophet zu den Hirten von Israel.
Ja, rede als Prophet und sag zu ihnen, den Hirten:
So spricht Gott, der Herr!
Ihr Hirten von Israel, ihr weidet euch ja selbst.
Weiden Hirten sonst nicht die Schafe?
Ihr aber esst das Fett
und macht euch Kleider aus der Wolle.
Doch ihr weidet die Schafe nicht!
Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt
und die Kranken nicht geheilt.
Verletzte habt ihr nicht verbunden
und verirrte Schafe nicht eingefangen.
Schafe, die sich verlaufen haben,
habt ihr nicht gesucht.
Mit Stärke und Gewalt wolltet ihr sie beherrschen.
Sie haben sich zerstreut, weil kein Hirte da war,
und wurden zum Fraß für alle Raubtiere.
Ja, so haben sie sich zerstreut.
Meine Schafe verirrten sich in den Bergen
und zwischen den hohen Hügeln.
Über das ganze Land sind meine Schafe verstreut.
Doch niemand fragt nach ihnen
und niemand sucht sie.
Darum, ihr Hirten, hört das Wort des Herrn:
Bei meinem Leben!
– Ausspruch von Gott, dem Herrn –
Meine Schafe sind zu Beute geworden
und meine Herde zum Fraß für die Raubtiere.
Es war ja kein Hirte da!
Meine Hirten kümmerten sich nicht um meine Schafe,
sondern weideten sich lieber selbst.
Nein, meine Schafe weideten sie nicht.
Darum, ihr Hirten, hört das Wort des Herrn:
So spricht Gott, der Herr!
Ich gehe gegen die Hirten vor
und fordere meine Schafe von ihnen zurück.
Ich sorge dafür, dass sie nie wieder Schafe weiden.
Auch sich selbst werden die Hirten nicht mehr weiden.
Ich befreie meine Schafe aus ihrem Rachen.
Sie werden ihnen nicht mehr als Nahrung dienen.
Ihr seid meine Herde!
Ihr Menschen, ihr seid die Herde auf meiner Weide,
und ich bin euer Gott!
– So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn.“

Predigt

Danke, Schaf!
Wir hören, Ezechiel schimpft gegen die Oberen seiner Zeit. „Hirt und Herde“ – das ist uns so vertraut, dass und sofort „Pfarrer und Gemeinde“ einfällt. „Pastor“ ist ja das lateinische Wort für „Hirte“. Und wir Pastores haben es ja auch enorm gut in dieser Pandemie-Zeit. Unser Risiko ist gering: ganz viel geht im Home-Office, statt zu besuchen dürfen wir telefonieren oder schreiben, viel Gruppentreffen fallen aus und müssen daher nicht vorbereitet werden, und das Gehalt wird in voller Höhe weitergezahlt.

Vielleicht fragt Ihr inzwischen aber auch, was will der Prophet eigentlich? Ist er frustriert über seine Kollegen, sauer auf die Kirchenleitung? Warum pöbelt der so von „unten“ nach „oben“?

Ezechiel oder Hesekiel, wer war das eigentlich? Auch so ein Zu-kurz-Gekommener? Ein frustrierter, der seinem Ärger Luft macht? Was sagst du, Schaf?

Ja und Nein. Frustriert ja, seinem Ärger nur Luft machen: nein!
Ezechiel und ich, wir lebten in der Zeit vor und während der babylonischen Gefangenschaft.
597 v. Chr. wurde Ezechiel deportiert. Den Fall Jerusalems 587 v. Chr hat er aus der Ferne erlebt.
Der Untergang dieser Stadt ist in seiner Prophetie ein Wendepunkt:
Nicht mehr nur Unheil, sondern auch die Wendung zu Neuem bestimmt nun sein Reden.
In dem Abschnitt, den ich eben gelesen habe, greift er die Führer des Volkes an.
Das Bild vom Hirten war bei uns im Orient ein gängiges Bild für den König.
Natürlich sieht er das Unheil, welches über das Volk gekommen ist,
auch als Folge des Handelns der politisch Verantwortlichen.
Doch Ezechiel bleibt nicht stehen beim Schimpfen und Ankündigen von Unheil:
Ein neuer Hirte soll auftreten, ein gerechter.
Ich glaube, er hat er dabei das historisch verklärte Königtum Davids vor Augen gehabt.
Letztlich geht es ihm aber darum: dass Gottes Weg mit seinem Volk ist nicht zu Ende,
sondern Gott lässt Neues entstehen.

Danke, Schaf! Dann darf ich vielleicht auch einmal von unten nach oben pöbeln und die politisch Verantwortlichen von heute anmeckern?
Ihr Oberen, ihr! Ihr haltet Euch und uns doch Augen und Ohren zu bei der Bekämpfung der Epidemie in unserem Land. Ihr habt doch schon in der Schule etwas gelernt von exponentiellen Kurven und Entwicklungen – sie fangen flach und scheinbar harmlos an und schießen dann, wenn sie nicht aufgehalten werden, in die Höhe! Und wenn ihrs nicht in der Schule gelernt habt, dann im letzten Frühjahr und im Herbst. Ihr erzählt uns, man dürfe die Inzidenzzahlen nicht alleine sehen – und dabei kann jedermensch mit Taschenrechner und Blick in die Zeitung ausrechnen, aus wie vielen Infiziertem Kranke werden, aus wieviel Erkrankten IntensivpatientInnen und wie viele dann daran sterben müssen. Ihr wollt so lange so viel wie möglich offenhalten, bis das Tempo der Ansteckungen nicht mehr beherrschbar ist. Dabei wissen wir aus der Fahrschule noch: Je höher die Tempozahlen, desto länger der Bremsweg – viel länger, als man glauben möchte! Das hilft der Wirtschaft kein bisschen! Denn wenn ein Lockdown später kommt – und er kommt! – dann muss er viel länger dauern, als wenn er rechtzeitig gekommen wäre.
Und das alles nur, damit wir Euch liebhaben und wiederwählen, damit ihr Macht behaltet und Geld bekommt?

Ich sehe schon, das Schaf will mich stoppen. Zurück um Text; wie ist er heute zu verstehen?
Ist die Weissagung mit Jesus in Erfüllung gegangen – „Ich bin der gute Hirte!“, oder ist der Text eine bleibende Mahnung an alle, die leitende Ämter haben, nicht sich selber zu bedienen oder auf Kosten anderer zu leben? Und wer sind wir?
„Du bist Hirte, das sagt doch schon die Berufsbezeichnung!“, könntet ihr jetzt sagen, liebe Geschwister. Aber: was ist mit Euch? „Ich bin Schaf, mich geht das nichts an!“: Das kann ja wohl nicht die richtige Einschätzung sein. Ich könnte jetzt darauf zu verweisen, dass wir alle nicht nur Herde sind, sondern als Teil der christlichen Gemeinschaft, als Teil von Christus (er das Haupt, wir die Glieder) auch teilhaben an seinem Hirtesein.

Liebe Geschwister, solche theologischen Gedankenspiele sind gar nicht nötig. Unser Predigttext ist nämlich gekürzt, es fehlen einige Verse! Ich bitte das Schaf um die wichtigsten ausgelassenen Zeilen.

So spricht Gott, der Herr zu euch, meine Herde:
Ich ziehe euch zur Verantwortung, jedes einzelne Schaf.
Ich wende mich gegen die Widder und Ziegenböcke.
Ist euch Tieren die Weide zu klein,
auf der ihr grast?
Den Rest eurer Weide zertrampelt ihr mit den Hufen.
Ihr trinkt klares Wasser.
Das übrige Wasser macht ihr mit euren Hufen trüb.
Meine Herde muss an der Stelle grasen,
die ihr mit den Hufen zertrampelt habt.
Sie muss das Wasser trinken,
das ihr mit euren Hufen trüb gemacht habt.
Darum spricht Gott, der Herr, zu euch:
Ich urteile über die fetten und die mageren Schafe.
Ihr stoßt die schwachen mit eurer Schulter zur Seite
und durchbohrt sie mit euren Hörnern.
Weil ihr sie auf diese Weise weit verstreut habt,
werde ich meine Herde retten.
Sie wird keine Beute mehr sein.
Ich ziehe die Schafe zur Verantwortung.

Nicht nur die Hirten werden zur Rechenschaft gezogen, sondern auch die Herde. Unter uns geht es im Kleinen nicht anders zu als zwischen Hirten und Herde im Großen. Es ist einfach, auf „die da oben“ zu schimpfen, wenn man damit von den eigenen Unzulänglichkeiten, kleinen Schlupflöchern und Vorteilsnahmen ablenken kann.

Ezechiel, liebe Geschwister, hatte eine besondere historische Situation, in die hinein er Gottes Wort gesprochen hat. Unsere äußeren Umstände sind andere, unsere Probleme mit nationaler Epidemie und weltweiter Pandemie. Doch im Umgang miteinander – im Land und in der Welt – sind die Probleme, vor allem aber beim Umgang mit Schwächeren nach über 2500 Jahren noch immer die gleichen. Dabei ist es fast egal, ob wir zu den als Hirten bezeichneten oder zur Herde gehören. Eine ganz klare und einfache Forderung steht hinter dem Text: Kümmert Euch um die Schwachen!

[Viele Ideen und Formulierungen verdanke ich Christoph Dinkel 2011]

Stille

Fürbitten (Stichwörter)

Für die Oberen in Gesellschaft und Kirche: Weisheit und Mut
Für uns, wo wir die Stärkeren sind: Liebe
Für uns und alle, wenn wir schwach sind: Trost
Für die Welt: Dein Reich komme!

Vater unser

Vater unser im Himmel / Geheiligt werde dein Name. / Dein Reich komme. / Dein Wille geschehe, / wie im Himmel, so auf Erden. / Unser tägliches Brot gib uns heute. / Und vergib uns unsere Schuld, / wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. / Und führe uns nicht in Versuchung, / sondern erlöse uns von dem Bösen. / Denn dein ist das Reich / und die Kraft und die Herrlichkeit / in Ewigkeit. Amen.

Segen

Musik