Wenn Steine reden könnten ...

 

Im heutigen Predigttext erzählt Lukas die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem. Jesus sitzt auf einem Esel und eine große Schar von Jüngerinnen und Jünger begleitet ihn. Einige haben schon ihre Kleider auf dem Boden ausgebreitet, damit Jesus drüber reiten kann.

Gerade erreichen sie den Gipfel des Ölbergs, der letzten Erhebung vor Jerusalem.

Ab hier geht’s bergab.

Jerusalem, die ganze Stadt liegt ihnen zu Füßen. Ein wahrhaft erhabener und majestätischer Moment. Ein Moment zum Jubeln.

 

Gelobt sei, der da kommt, der König, im Namen des Herrn!

Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe.

 

Wie die Hirten auf dem Feld in der heiligen Nacht, so singen die Jüngerinnen und Jünger Jesu in diesem Moment.

Hier schließt sich der Kreis:

Der Friedenskönig, geboren in einem Stall in Bethlehem, kommt nach Jerusalem. Kommt endlich in die Stadt Davids.

 

Den Pharisäern, die dabei sind, schmeckt das nicht.

Der da kommt - damit meinen die Jünger den Messias, den Christus. Den, den Gott versprochen hat, damit er die Welt retten soll.

 

Wer schon einmal das Gegröle enthusiastischer Fußballfans gehört hat, kann sich vielleicht eher in die Situation versetzen. Denn mit einem wohlklingenden und gut geprobten Chorgesang hatten die Rufe der Anhänger Jesu sicher nichts gemein. Sie haben einfach drauf los gejubelt, gesungen und geschrieen. Ohne Scham und ohne Rücksicht. Denn die Freude musste einfach hinaus.

 

Wie sollten da die Pharisäer gegen ankommen. Darum wenden sie sich auch direkt an Jesus.

Sie sprechen ihn mit Meister, mit Lehrer an. Denn das scheint Jesus für sie zu sein ein Lehrer, ein Vorbild, aber eben nicht der Messias, nicht der ersehnte König.

Und obwohl dies so ist, scheinen die Pharisäer dennoch Sympathien für ihn zu haben. Denn mit ihrer Einmischung wollen sie Jesus in Schutz nehmen. Sie wissen nämlich ganz genau, was die Römer und die Hohepriester mit ihm machen werden, wenn er in Jerusalem als König und Messias ausgerufen wird.

Deshalb raten sie ihm:

Sag doch deinen Jüngerinnen und Jünger, dass sie still sein sollen. Sonst wird das böse für dich, für sie und letztlich für uns alle enden. Die Römer machen kurzen Prozess.

Und wir wissen doch alle, dass du nicht der bist, wofür sie dich halten.

 

Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

 

Ziemlich direkt ist seine Antwort an die Pharisäer. Sie setzt vor allem die Botschaft und das Handeln der Jüngerinnen und Jünger ins Recht.

 

Und es stimmt doch! Und es muss vor allem eins: Es muss raus!

Selbst wenn jemand die Jüngerinnen und Jünger zum Schweigen bringt, muss es raus - dann werden eben die Steine schreien.

 

Und was meint er damit jetzt genau? Mit diesen schreienden Steinen?

 

Für mich macht Jesus mit diesem Bild deutlich, dass es auf jeden Fall verkündigt werden wird, dass er der Messias, der Retter ist.

Dass Gott Möglichkeiten hat, selbst wenn alle Jüngerinnen und Jünger zum Schweigen gebracht werden, dass diese Botschaft gehört wird.

Dass er hierzu sogar so etwas Unmögliches vollbringen kann, wie Steine zum Schreien zu bringen.

 

Oder mit anderen Worten:

Die Botschaft Jesu wird sich durchsetzen, auch gegen größte Widerstände. Corona, Versammlungsverbot und auch unser freiwilliger Verzicht auf präsente Gottesdienste werden sie nicht aufhalten können.

 

Und inwiefern tröstet uns das heute?

 

Mich tröstet es ein wenig darüber hinweg, dass wir am Sonntag Kantate, dem Sonntag der singenden Gemeinde, nicht singen dürfen.

Dass wir nicht zusammen sind, um Gott mit Musik und Liedern zuloben.

 

Singt dem Herrn ein neues Lied!

 

Wenn wir Gott nicht loben können, dann schreien eben die Steine, dann lobt die ganze Schöpfung Gott.

So wie es in den Psalmen heißt:

 

Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. Die Flüsse sollen in die Hände klatschen und alle Berge vor Freude singen. (Psalm 98)

Die Himmel erzählen die Ehre Gottes […] Ihr Schall geht aus in alle Lande und ihr Reden bis an die Enden der Welt. (Psalm 19)

 

Wir erleben es ja gerade. Warme sonnige Tage, alles grünt und blüht. Die singenden Vögel, die tanzenden Schmetterlinge, sie alle singen dem Herrn ein neues Lied.

Für mich eines der schönsten Gotteslobe.

 

Auch wenn jetzt gerade die Natur, die Schöpfung uns das Singen und Loben abnimmt, heißt das nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen sollen.

Wir machen weiter.

Kleiner, anders, ungewohnter.

Aber wir schweigen nicht.

Und bei allem was wir planen, ausprobieren und diskutieren tut es gut zu wissen, dass da, wo unsere Kraft nicht ausreicht, wo uns Grenzen gesetzt sind, Gott weitermacht.

Da ist er der Herr der Geschichte.

Da lässt er sogar - wenn es sein muss - die Steine schreien.

Amen