Andacht zum 4. Sonntag nach Trinitatis (Uta Rode)

 

Orgelvorspiel

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Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes

Amen

 

Wir feiern eine Andacht zum 4. Sonntag nach Trinitatis.

In den Sonntagen nach dem Dreifaltigkeitsfest werden jeweils verschiedene Aspekte beleuchtet, was Leben in der Nachfolge von Jesus Christus im Alltag bedeuten kann.

 

Heute geht es darum, was für das Gelingen unserer Beziehungen wichtig ist.

Das Evangelium für den heutigen Sonntag spricht davon, dass wir barmherzig sein sollen. Die Verse aus dem Lukasevangelium enden mit dem berümten Bild vom Splitter im Auge unseres Bruders, den wir bekanntlich eher sehen, als den Balken im eigenen Auge.

Ein weiterer biblischer Text, der für diesen Sonntag vorgeschlagen ist, kommt aus dem Ersten Testament, der hebräischen Bibel. Es ist auch eine berühmte Geschichte, nämlich die, wie Joseph seinen Brüdern verzeiht. Ich lese sie vor:

 

1. Mos. 50, 15-21

Weil nun ihr Vater tot war, gerieten die Brüder Josefs in Sorge. „Wenn Josef uns nur nichts mehr nachträgt!“ sagten sie zueinander. „Sonst wird er uns jetzt heimzahlen, was wir ihm einst angetan haben.“

Sie ließen Josef ausrichten: „Dein Vater hat uns vor seinem Tod die Anweisung gegeben: „Bittet Josef, dass er euch verzeiht und euch nicht nachträgt, was ihr ihm angetan habt.“ Deshalb bitten wir dich: Verzeih uns unser Unrecht! Wir bitten dich bei dem Gott deines Vaters, dem auch wir dienen!“

Als Josef das hörte, musste er weinen.

Danach gingen die Brüder selbst zu Josef, warfen sich vor ihm zu Boden und sagten: „Wir sind deine Sklaven!“

Aber Josef erwiderte: Habt keine Angst! Ich werde doch nicht umstoßen, was Gott selbst entschieden hat! Ihr hattet Böses mit mir vor, aber Gott hat es zum Guten gewendet; denn er wollte auf diese Weise vielen Menschen das Leben retten. Habt also keine Angst! Ihr könnt euch auf mich verlassen, ich werde für euch und eure Familien sorgen.“

So beruhigte Josef seine Brüder und gab ihnen wieder Mut.

 

...wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin“

So hören wir es in der ersten Strophe des Lieds “Komm in unsere stolze Welt“, im Gesangbuch unter der Nummer 428.

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Lied 428 ,1

Komm in unsre stolze Welt, Herr, mit deiner Liebe Werben. Überwinde Macht und Geld, lass die Völker nicht verderben. Wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin.

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Es gibt eine Geschichte, die ich nur aus einem Film kenne:

Nicole Kidman spielt darin eine Dolmetscherin, eine junge Frau, die in Afrika aufgewachsen ist.

Sie erzählt zum Thema Vergebung eine Weisheitsgeschichte aus ihrer Heimat:

wenn ein Mensch einer Gewalttat zum Opfer gefallen ist und der Täter gefasst wurde, wird er gefesselt in den Fluss geworfen. Die Angehörigen des Opfers können sich dann entscheiden, ob sie ihn ertrinken lassen und sich so gerächt fühlen oder ob sie ihn retten.

Im ersten Fall erfahren sie für den Rest des Lebens innere Unruhe und Spannung; wenn sie ihn retten, bleibt die Rache offen, aber der Familie wird Seelenfrieden geschenkt.

Warum bringe ich diese afrikanische Weisheitsgeschichte mit der Joseph-Erzählung zusammen?

An ihr wird deutlich: der Wegweiser für eine versöhnte Haltung liegt in unserer eigenen Seele: sie findet Frieden, wenn wir vergeben.

 

Nun mögen wir Spannungen mit unseren Geschwistern haben, aber nur die wenigsten von uns wurden von ihnen in einen Brunnen geworfen; und auch die Szene aus Afrika ist keine aus unserem Alltag.

Aber wir alle kennen alltägliche Verletzungen, durch die wir uns als Opfer fühlen:

wir erfahren Zurücksetzungen, Kritik, Kränkungen oder werden schlicht übersehen. wir spüren Schmerz, fühlen uns beschämt, wütend, frustriert oder traurig.

All das kann uns in Sackgassen führen und dann in den Wunsch nach einem Befreiungsschlag, nämlich zu Rachegelüsten.

Oft geht das ganz schnell: eine bissige Bemerkung oder ein eisiges Schweigen.

Es droht eine Spirale von Verletzungen.

Oder wir geraten in ein innerliches Hamsterrad von Grübeln und Grollen.

 

Eine neue Freiheit erfahren wir nur , wenn wir vergeben können.

In jedem Vaterunser bitten wir um Vergebung und versprechen, sie unserem Nächsten zukommen zu lassen.

Helfe uns Gott, dass das wahr werde.

 

 

 

Wir hören eine weitere Strophe von unserem Lied,

sie singt vom Weg durch Lärm und Streit . 428,3

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Komm in unsre laute Stadt,

Herr, mit deines Schweigens Mitte,

dass, wer keinen Mut mehr hat,

sich von dir die Kraft erbitte

für den Weg durch Lärm und Streit hin

zu deiner Ewigkeit.

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Wir beten:

barmherziger Gott,

Du bist ein Gott der Versöhnung

und du rufst uns zu Versöhnung und Barmherzigkeit;

wir tun einander ständig weh:

durch Unaufmerksamkeit,

durch Rachegelüste schon für Kleinigkeiten,

durch unsere grenzenlose Ich-Bezogenheit.

Dein Heiliger Geist kann uns bewahren

und Frieden geben.

Du, aufmerksamer Gott, hörst die Rufe, die sonst niemand hört:

wir legen sie Dir in der Stille ans Herz.

...

Unsere Dankbarkeit , unsere Hilferufe und Bitten fassen wir zusammen

in dem Gebet, das Jesus Christus uns gelehrt hat:

 

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name

dein Reich komme,

dein Wille geschehe

wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen;

denn dein ist das Reich

und die Kraft und die Herrlichkeit

in Ewigkeit

Amen.

 

Segen: Es segne und behüte uns der allmächtige Gott,

der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, Amen

 

Orgelnachspiel