Scheinheilig?

 

„Wissen Sie was?

Mit der Kirche bin ich fertig!

Wer da in den Gottesdienst rennt…

Sonntags tun die heilig, aber sonst sind die auch nicht anders als alle andern!“

 

Das habe ich schon oft gehört:

„Die da in der Kirche!“

Oft hat das Gründe:

Enttäuschung, schlechte Erfahrungen.

Und ich will erst gar nicht behaupten,

dass Gottes Bodenpersonal immer eine gute Figur macht.

 

Heute geht es aber um etwas anderes:

Die da!

Das sagt sich ziemlich leicht.

Und das sagen nicht nur die, die Probleme mit der Kirche haben.

Das sagen wir eigentlich alle.

Immer wieder mal:

 

„Der da!

Der Kollege, der sich immer beim Chef einschleimt,

der so tut, als ob er den Laden am Laufen hält,

aber eigentlich nur eine ganz kleine Nummer ist.

Zum Glück bin ich anders!“

 

„Die da!

Die Streberin, die schon seit der Grundschule in der ersten Reihe sitzt.

Zeigt immer auf und renkt sich dabei fast den Arm aus.

Peinlich – aber ich bin ja nicht so!“

 

„Der da!

Mein kleiner Bruder,

den meine Eltern immer verhätschelt haben.

Kein Wunder, dass der sein Leben nicht auf die Kette kriegt.

Aber wenn er sich alle paar Monate mal bei seinen Alten blicken lässt,

reden sie wochenlang über nichts anderes.

Und ich, ich darf mich um alles kümmern.

Trotzdem gut, dass ich nicht so bin wie der!“

 

Kennen sie das auch, diese Haltung?

„Der da!

Und: Zum Glück bin ich anders!“

Und mal ganz ehrlich:

Denkt Ihr das auch schon mal?

 

Dazu muss man nicht fromm sein;

Scheinheilige gibt es nicht nur in der Kirche.

Und denen, eigentlich uns allen,

erzählt Jesus eine Geschichte:

 

Zwei Menschen gehen in den Tempel, um zu beten.

Der eine ist ein Pharisäer.

Einer, dem sein Glaube wichtig ist,

der nach Gottes Willen fragt.

Der andere ist ein Zolleinnehmer.

Einer, der anderen das Geld aus der Tasche zieht

und gemeinsame Sache mit den Römern macht;

den mag keiner.

 

Der Pharisäer betet:

„Gott,

ich danke Dir,

dass ich nicht so bin wie die anderen,

die Betrüger, Diebe und Ehebrecher -

oder wie der da, dieser Zöllner.

Ich frage nach Dir.

Ich faste und spende, was geht.“

 

Der Zolleinnehmer betet:

„Gott, sei mir Sünder gnädig!“

Mehr nicht.

 

Jesus sagt zu dieser Geschichte:

„Dieser, also der Zöllner, ging befreit in sein Haus zurück, jener nicht.“

Ihm hat Gott seine Schuld vergeben, er ist gerechtfertigt.

Der andere ist nur selbstgerecht.

 

„Gott, sei mir Sünder gnädig!“

Mit diesem Gebet breche ich aus, aus meiner Selbstgerechtigkeit.

Dabei sehe ich auch, wo mein eigenes Image Kratzer hat.

Das tut manchmal weh.

Aber das ist besser,

als die eigene Scheinheiligkeit zu pflegen.

Das ist besser,

als auf die anderen zu zeigen.

Es ist auf jeden Fall besser,

als hinter der Fassade der eigenen Selbstgerechtigkeit Kränkungen zu sammeln.

 

Und beim Christsein geht es auch nicht darum,

dass ich ein besserer Mensch bin,

dass ich zur moralischen Elite gehöre.

Eigentlich geht es um das glatte Gegenteil:

Ich erkenne,

was nicht in Ordnung ist:

„Gott, sei mir Sünder gnädig!“

 

Nein - ich bin kein besserer Mensch;

aber vielleicht werde ich einer – durch Gottes Vergebung.