Online-Andacht für den Ewigkeitssonntag

Verrückte Hoffnung

Einstimmung und Eröffnung:
76 Teelichter werden wir anzünden in unseren Gottesdiensten am Samstag und am Sonntag. Und dazu 76 Namen hören – Namen von Menschen, die in diesem zu Ende gehenden Kirchenjahr gestorben sind.
Aus unserer Mitte sind sie genommen.
Wir glauben, dass sie bei Gott das Licht des Lebens sehen.

Wir feiern diese Online-Andacht im Namen des dreieinigen Gottes.
Gott, der Vater und Schöpfer – von ihm kommt alles Leben, und zu ihm kehrt es auch wieder zurück.
Gottes Sohn, Jesus Christus – in ihm ist das Leben, in ihm ist das Licht.
Gott, Heilige Geisteskraft – durch sie werden wir getröstet.

Lied: Bleib bei mir, Herr … EG 488,1-3

Gedanken:
Jemand stirbt, und das ist, wie wenn eine Tür zuschlägt.

So erleben es viele: Ein naher Mensch stirbt, und das ist wie eine zugeschlagene Tür. Gespräche können nicht mehr geführt werden. Besuche sind vorbei. Einander sehen und nahe sein, das geht jetzt nicht mehr. Der Tod durchtrennt gelebte Gemeinschaft.

Jemand stirbt, und das ist, wie wenn eine Tür zuschlägt.
Und wenn es ein Tor wäre, dahinter andere Landschaften sich auftun?

Dieser zweite Satz beschreibt nichts, was wir sehen könnten. Er beschreibt, worauf wir hoffen. Worauf wir selbst und alles Leben nach unserer Hoffnung zugeht. Er sagt: Da kommt noch etwas. Vielleicht sogar: Das Beste kommt noch! Er beschreibt geglaubte Zukunft jenseits von Tod und Grab, von Krankheit und Vergänglichkeit, von Tränen und Trauer.

Woher kommt solche Hoffnung? Wie kommen Menschen darauf, andere Landschaften zu sehen, wo wir doch vor zugeschlagenen Türen stehen – nämlich auf Friedhöfen, vor zugeschütteten Gräbern? Greift diese Hoffnung auf Licht und Leben jenseits von Gräbern nicht sehr weit voraus?

Ich meine: solche Hoffnung greift nicht voraus. Sie reicht – im Gegenteil – zurück. Zurück auf den ersten Ostertag. Damals hat Gott den toten Jesus aufstehen lassen zum Leben, das nicht mehr sterben wird. Er hat Widerspruch eingelegt: Dieser Tod von Jesus ist kein Tod für immer und ewig! Kein Tod soll mehr das Letzte sein, was zu sagen ist!

Damit hat er auch einer für immer zugeschlagenen Tür widersprochen. Oder einer ewigen Schuld. Oder einem Schmerz, der niemals aufhört.

Damals, am ersten Ostertag, hat das Leben begonnen, das Sterbliche zu verschlingen. Da hat begonnen, was kommen soll. Hier haben alle unsere Zukunftsbilder und Hoffnungsworte ihren Ursprung.

Ich weiß wohl – einige werden fragen: was nützt uns solche Hoffnung jetzt?
Ich habe selber in diesem Jahr Menschen auf dem Friedhof begleitet, deren Schmerz ich mir kaum vorstellen kann. Zu viele Tode in kurzer Zeit. Zu jung und mitten aus dem Leben gerissen.

Und doch will ich an dieser verrückten Hoffnung auf Leben festhalten, die in der Auferweckung von Jesus ihren Grund hat. Auch wenn wir am Ende sind – Gott ist es noch lange nicht. Er macht alles neu.

In der nächsten Woche gehen wir auf Advent zu – feiern Sie dann die Online-Andacht mit Achim Rohländer. Und noch ein Hinweis: auf trauernetz.de können wir am Sonntag um 18 Uhr eine Chatandacht unserer Landeskirche mitfeiern. Wer will, kann zuvor den Namen seines Verstorbenen in das virtuelle Gedenkbuch eintragen.

Ich ende meine Worte mit dem Text von Benoit Marchon, mit dem ich meine Gedanken begonnen habe. Jetzt lese ich seinen Text ganz.

Jemand stirbt …

Jemand stirbt, und das ist, wie wenn Schritte verstummen. Aber wenn es ein kurzer Aufenthalt vor einer neuen Reise wäre?

Jemand stirbt, und das ist, wie wenn eine Tür zuschlägt. Aber wenn es ein Tor wäre, dahinter andere Landschaften sich auftun?

Jemand stirbt. Das ist wie wenn ein Baum zur Erde stützt. Aber wenn es ein Samen wäre, der in einer anderen Erde keimt?

Jemand stirbt, und das ist vielleicht, wie wenn in der Stille plötzlich eine Orgel einsetzt und die verstummte kleine Melodie eines Menschenlebens mit allen Registern neu spielt …

(aus: Ich möchte ganz still sitzen. Gedichte zum Beten von Benoit Marchon, Josse Goffin)

Orgelnachspiel zu EG 115: Jesus lebt, mit ihm auch ich