Wunder?

Johannes 2, 1-11

Unser Leben sei ein Fest - und um ein Fest geht es auch heute.

Jesus ist auf einer Hochzeitsfeier. Und das Schlimmste, was auf einer solchen Feier passieren kann - es tritt ein: Der Wein geht aus.

Maria, die Mutter Jesu, scheint dies als Erste zu bemerken, und sie ergreift die Initiative. Nicht direkt drängt sie ihren Sohn zu einem Wunder. Aber Jesus versteht, was hinter ihrem dezenten Hinweis auf den fehlenden Wein steckt: Jetzt tu doch was!

Hinter dem - Jetzt tu doch was! - steckt ihr großes Vertrauen, dass ihr Sohn helfen kann. Schließlich soll dieser freudige Tag nicht so enden.

Doch Jesus ist ungehalten und weist seine Mutter zurück:

Noch nicht! Ist seine Antwort.

Maria ahnt jedoch, dass dieses - Noch nicht! - nicht sein letztes Wort ist. Darum bereitet sie die Diener vor.

Was er euch sagt, das tut. (Johannes 2, 5)

Was dann passiert, davon hören wir … nichts Genaues.

Die Diener füllen auf Jesu Geheiß die riesigen Krüge mit Wasser und bringen sie als Wein zum Speisemeister.

Weder der noch die Gäste bekommen von dem Wunder irgendetwas mit.

Auch Jesus selbst macht keine Anstalten, irgendjemanden über das Besondere seines Handelns aufzuklären. Ihm scheint es vor allem wichtig zu sein, dass es wieder guten Wein gibt, und dass das Fest weitergehen kann.

Für die Jünger aber, die das Wunder miterleben, für sie gewinnt Jesus eine ganz neue Facette. Schließlich ist es das erste Wunder, das sie miterleben.

Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. (Johannes 2, 11)

Sein Handeln passt zu dem, was die Jünger aus den Psalmen kennen:

Danket dem Herrn und rufet an seinen Namen; verkündigt sein Tun unter den Völkern! Singet ihm und spielet ihm, redet von allen seinen Wundern! (Psalm 105, 1.2)

 

Hm, aber geht das denn?

Der eine oder die andere werden sich jetzt fragen:

Wie kann man in unserer modernen Welt von Wundern reden?

Oder muss ich bei Wundergeschichten, wie dieser, mein aufgeklärtes, rationales Denken über Bord werfen?

 

Um es mit Paulus zu sagen: Das sei fern.

Aber ich möchte diesen Fragen eine andere Frage entgegenstellen:

Wie klein denken wir eigentlich von Gott, wenn wir ihm nicht mal ein Wunder zutrauen?

Dieses Zutrauen heißt nicht, die Bibel in allem wörtlich zu nehmen, und erst recht nicht alles für bare Münze zu halten.

Aber ich verbinde mit dieser Frage ein ernstes Anliegen.

Warum sollten wir uns nicht vorstellen, dass Jesus Menschen geheilt oder Speisen vermehrt hat, dass er Tote auferweckt und reichen Fischfang beschert hat?

Schließlich sagen wir von ihm, dass er Gottes Sohn ist.

Was ist dagegen schon eine kleine Sturmstillung oder ein paar Liter Wasser zu Wein?

 

Wenn wir jetzt aber genau hinsehen, dann werden wir entdecken, dass Wunder nicht Gottes erste Wahl sind, um uns Menschen nahe zukommen.

Die Hochzeit zu Kana ist dafür ein gutes Beispiel.

Jesus will ja eigentlich gar kein Wunder tun. Noch nicht, war seine erste Reaktion.

Und nicht nur hier, immer wieder wird von seiner Zurückhaltung gegenüber Wundern in der Bibel berichtet.

Das Wunder-Tun scheint für Jesus eher eine Nebentätigkeit zu sein. Sonst hätte er seine Wunder in einem viel größerem Stil betrieben: Massenheilungen, Auferweckungen im Akkord, Speis und Trank ohne Ende.

Aber nein, Wunder bleiben im Leben Jesu vereinzelte Geschehen.

Im Evangelium nach Markus wird sogar immer wieder berichtet, dass Jesus die Menschen, die Wunder miterlebt haben, ausdrücklich auffordert, nichts davon weiterzuerzählen.

Das bleibt bitte ein Geheimnis. Nur kein Aufsehen erregen.

Dazu passt auch, dass Johannes bei der Hochzeit zu Kana gar nicht von einem Wunder spricht. Johannes bezeichnet das Geschehen als ein Zeichen.

Und Zeichen sind gerade keine Zaubertricks und -kunststücke, keine Illusionen à la Houdini oder von den Ehrlich Brothers.

Nein, Zeichen sind Hinweise. Und sie stehen nicht für sich allein. Vielmehr verweisen sie auf etwas anderes.

Ein Zeichen verweist immer auf etwas Größeres und Wichtigeres.

Ein Straßenschild z.B. ist ja auch nicht der Ort oder das Ziel, sondern es ist ein Zeichen, das anzeigt in welcher Richtung das Ziel liegt, oder in wie vielen Kilometern man es erreichen kann.

Wenn Johannes Jesu Wunder als Zeichen bezeichnet, dann macht er damit deutlich, dass sie auf das Eigentliche seiner Botschaft verweisen. Wie ein großer Pfeil steht das Wunder da, aber es zeigt nicht auf die Geheilten, nicht auf die Krüge Wein. Denn sie sind nicht das Wesentliche.

Und so ist auch die Frage, ob und wie Jesus wirklich aus dem Wasser Wein gemacht hat, auch nicht zentral. Wichtig ist, dass das Geschehen in die Richtung auf Gott und seine Treue weist.

Denn Gott ist ein treuer Gott und er ist ständig in unserer Welt am Werk.

Vieles davon geschieht unmerklich, bleibt im Verborgenen. Denn Gott handelt nicht erst durch ein Wunder. Vielmehr wird durch ein Wunder Gottes unermüdliches Handeln, seine Anteilnahme und Fürsorge für einen kurzen Moment sichtbar.

Es hinterlässt einen Fußabdruck, eine Spur, die uns daran erinnert, dass Gott tätig ist und bei uns ist.

Lied:Wir haben Gottes Spuren festgestellt auf unsern Menschenstraßen. (EG 648)

Das Lied erzählt von den kleinen und großen Wundern. Von spektakulären Wundern, wie die Rettung Israels am Schilfmeer, aber auch von ganz einfachen, alltäglichen Wundern.

Von Liebe und Wärme in einer kalten Welt.
Von Hoffnung, die schon fast vergessen war.
Von blühende Bäumen in der Einöde.

Das sind doch Worte, die in unserer derzeitigen Situation wunderbar passen.

Der Impfstoff, eine Hoffnung, auf die wir anfangs nicht zu hoffen wagten.
Die aufkeimende Hoffnung, dass es bald wieder einigermaßen 'normal' zugeht.
Hilfe und Fürsorge für Alleinstehende und - erziehende von Nachbarn oder anderen Menschen, denen man das gar nicht zugetraut hat - Liebe und Wärme in einer ansonsten anonymen Welt.

Auch sie sind Spuren von Gottes Wirken. Zeichen und Wunder, die von uns erlebt werden können und von uns entdeckt werden wollen.

Und so wie die Zeichen und Wunder der längst vergangenen Tage, so sollen auch diese einfachen und alltäglichen Zeichen uns an das Wesentliche erinnern:

Gott wird auch unsere Wege gehen und uns durch das Leben tragen.

Amen