„Zukunftsmusik“

Andacht zumPalmsonntag

Prädikantin Uta Rode

Predigttext: Hebräer 11, 1-2 und Hebräer 12, 1-3

 

Herzlich willkommen zur Andacht am Palmsonntag hier in der Versöhnungskirche!

 

Heute wäre ich gerne ordiniert worden.

Gemeinsam haben wir entschieden, dass wir bei so vielen Unsicherheiten und Einschränkungen nicht so feiern können, wie wir uns das wünschen. Wie es so ein Fest auch verdient.

Natürlich war ich traurig und auch genervt; aber dann kam mir der Gedanke:

Ich werde ordiniert, um öffentlich Gottes Wort zu verkünden – das bedeutet für mich heute und in Zukunft: gemeinsam mit Euch, mit der Gemeinde über Gottes Wort nachzusinnen, es auf uns wirken zu lassen. Und genau das darf ich heute tun, wenn auch weiter zeit- und raumversetzt.

Dafür bin ich dankbar.

 

Wir feiern diese Andacht im Namen Gottes des Vaters,

und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Amen.

 

Das Evangelium für Palmsonntag ist bekannt: Jesus zieht auf einem Eselfüllen in Jerusalem ein. Die Menschen schwenken Palmzweige und rufen „Hosianna!“ Das Eselfüllen als Reittier steht für Jesu Demut; mit Palmwedeln hingegen wurden siegreiche Könige begrüsst.

Damit ist auch schon beschrieben, wie die Menschen Jesus missverstanden haben: als einen der in die Weltgeschichte eingreift wie ein Machthaber.

Wir, die wir heute auf Gottes Wort lauschen, wir wissen Bescheid was kommt: wir hören schon in unserem inneren Ohr das: „Kreuzige ihn!“

 

Unter diesen wankelmütigen Menschen am Strassenrand kann ich mich mühelos wiederfinden.

Heute bin ich offen für Gottes gute Botschaft, vertraue auf seine Verheissung und bin dankbar für alles, was er mir Gutes erwiesen hat. Freudig rufe ich „Hosianna!“

Morgen stehe ich mir selbst und Gottes heiligem Geist im Weg. Ich hadere, zweifle oder meine, selber alles besser zu können.

Von Nächstenliebe ganz zu schweigen.

Wie die Menschen damals bin ich zwiespältig, in mir widersprüchlich und schwankend. Auch und gerade in meiner Haltung zum Mensch gewordenen Gott. Wenn Jesus mir im anstrengenden, vielleicht auch einfach ungewaschenen Mitmenschen gegenübertritt, könnte er leicht auch bei mir Pech haben. Gut, ich schlage keinen ans Kreuz, aber ich mache vielleicht einen Bogen. Es gibt Situationen, da ist das ähnlich schlimm.

 

Was können wir uns in einer solchen Verfassung sagen lassen?

Ich lasse mich ansprechen vom Text eines nicht näher genannten biblischen Autors im „Brief an die Hebräer“. Dort heisst es im 11. Kap., Vers 1+2

 

Was ist denn der Glaube? Er ist ein Rechnen mit der Erfüllung dessen, worauf man hofft, ein Überzeugtsein von der Wirklichkeit unsichtbarer Dinge. Weil unsere Vorfahren diesen Glauben hatten, stellt Gott ihnen in der Schrift ein gutes Zeugnis aus.

 

„Die Wirklichkeit unsichtbarer Dinge“

 

„Mit der Erfüllung rechnen“.

 

Ich hatte ein Bild dazu: eine Brücke, die im Sichtbaren beginnt. Unser Leben hier, unsere Leiblichkeit, unser Miteinander; das ist ein Brückenkopf.

Die Brücke wird ins Weite geschlagen, für unsere Augen verliert sie sich: manchmal im Licht, manchmal im Dunkel, immer: im Unsichtbaren. Wir betreten sie im Sichtbaren und schreiten fort ins Unsichtbare. Wir rechnen damit, dass die Brücke hält. Das ist die vertrauensvolle Haltung des Glaubens. Ein anderes schönes Bild dazu: Hoffende Menschen hören die Zukunftsmusik. Glaubende Menschen tanzen schon danach.

Wenn wir diese Brücke betreten, vielleicht sogar tanzend, und darauf fortschreiten, gelangen wir wunderbarerweise nicht in ein Jenseits, sondern kommen wieder in unserem Sichtbaren an, im Brückenkopf von dem aus wir gestartet sind.

Aber wir sind im tiefsten Wesen verändert.

 

Lied 165, 1 + 6

„Gott ist gegenwärtig“

 

Ein Kapitel später heißt es im Brief an die Hebräer :

Wir sind also von einer großen Schar von Zeugen umgeben, deren Leben uns zeigt, dass es durch den Glauben möglich ist, den uns aufgetragenen Kampf zu bestehen. Deshalb wollen auch wir – wie Läufer bei einem Wettkampf – mit aller Ausdauer dem Ziel entgegenlaufen. Wir wollen alles ablegen, was uns beim Laufen hindert, uns von der Sünde trennen, die uns so leicht gefangen nimmt, 2 und unseren Blick auf Jesus richten, den Wegbereiter des Glaubens, der uns ans Ziel vorausgegangen ist. Weil Jesus wusste, welche Freude auf ihn wartete, nahm er den Tod am Kreuz auf sich, und auch die Schande, die damit verbunden war, konnte ihn nicht abschrecken. Deshalb sitzt er jetzt auf dem Thron im Himmel an Gottes rechter Seite.

 

 

 

Wenn ihr also in der Gefahr steht, müde zu werden, dann denkt an Jesus! Wie sehr wurde er von sündigen Menschen angefeindet, und wie geduldig hat er alles ertragen! Wenn ihr euch das vor Augen haltet, werdet ihr nicht den Mut verlieren.

 

Wir finden uns also in einer Gemeinschaft wieder, die Anstrengung erlebt: einen Kampf, einen Wettlauf; offensichtlich einen Lauf auch noch mit zusätzlichen, hinderlichen handicaps. Unwillkürlich denke ich nicht an einen Sprint, sondern an eine ermüdende Langstrecke. Eine Runde, und noch eine Runde.

 

Auf einer Langstrecke des Alltags müde zu werden; das ist ein Grundgefühl, das viele von uns in den letzten Monaten hatten, und auch jetzt noch haben. Da ist es auch kein rechter Trost, dass andere um uns herum auch müde werden.

Für uns als Einzelne ist es eine zermürbende Zeit, aber auch für uns als Gemeinde. Manchmal sind wir froh, wenn wir uns wenigstens auf dem Bildschirm sehen. Aber mir brennen dann auch oft die Augen und in den Ohren scheppert eine unzulängliche Technik.

 

Der Trost des Textes, der Trost von Gottes Wort ist schlicht. Niemand kann sagen, dass es abgehoben oder kompliziert ist: Denkt an Jesus, an seine Geduld! Denkt daran, dass das Entscheidende seines Wegs nicht in einer heroischen Tat bestand; das ist nicht der Kern. Sondern in seinem Vertrauen darauf, dass bei Gott auch das Böseste gut wird.

 

Und vielleicht nehmt Ihr das Bild der Brücke mit: geht ins Licht und kommt verändert wieder. So ist es uns verheissen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.