Online-Andacht am 13. November 2020

Liebe Geschwister, zunächst die Sachlage: Jesus erzählt von Gott und der Welt. Das hat er oft getan, am See, am Berg, vor denen, die ihn liebten, vor denen, die ihn kaum kannten. Viele Erzählungen sind Bildreden, Vergleichsgeschichten. Ich nenne sie Aha-Geschichten, weil bei diesen Erzählungen manchmal ein Licht aufgeht. Lukas hat viele von diesen Geschichten gesammelt, er hat sie in eine Reihenfolge gebracht. Ihr kennt die Geschichte vom verlorenen Sohn, die mit dem Aha-Effekt: Gott ist gut zu dir, du kannst auf seine Liebe vertrauen, auch wenn du Mist gebaut hast. Die Geschichte hat Jesus denen erzählt, die wussten: Mein Leben ist nicht in Ordnung. Direkt danach gibt Lukas eine Geschichte wieder, die kurz vorm Ende des Kirchenjahres Predigttext ist. Die erzählt Jesus den Leuten, die ihn begleiten, die wissen, dass ihr Leben in Ordnung ist. Ich stelle mir vor, wie er mit ihnen irgendwo zwischen zwei Orten am See-Ufer im Gras sitzt, Mittagspause vielleicht. Ich lese / wir hören aus der Basisbibel den Predigttext des Sonntags bis kurz vor Schluss (L16,1-7 BB):

Dann sagte Jesus zu den Jüngern: »Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Über den wurde ihm gesagt, dass er sein Vermögen verschwendete. Deshalb rief der Mann den Verwalter zu sich und sagte zu ihm: ›Was muss ich über dich hören? Lege deine Abrechnung vor! Du kannst nicht länger mein Verwalter sein.‹

Da überlegte der Verwalter: ›Was soll ich nur tun? Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Für schwere Arbeit bin ich nicht geeignet. Und ich schäme mich, betteln zu gehen. Jetzt weiß ich, was ich tun muss! Dann werden mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich kein Verwalter mehr bin.‹ Und er rief alle einzeln zu sich, die bei seinem Herrn Schulden hatten. Er fragte den Ersten: ›Wie viel schuldest du meinem Herrn?‹ Der antwortete: Hundert Fässchen Olivenöl.‹ Da sagte der Verwalter zu ihm: ›Hier ist dein Schuldschein. Setz dich schnell hin und schreib fünfzig!‹ Dann fragte er einen anderen: ›Und du, wie viel bist du schuldig?‹ Er antwortete: ›Hundert Sack Weizen.‹ Der Verwalter sagte: ›Hier ist dein Schuldschein, schreib achtzig!‹

 

Ich glaube, Jesus hat Spaß gehabt beim Erzählen dieser Gaunergeschichte. Ein Verwalter, also sozusagen der Geschäftsführer einer Firma oder der Premierminister des Kabinetts, war zum Verschwender des anvertrauen Geldes geworden, hatte wohl selber gut gelebt dabei. Als seine Misswirtschaft auffliegt, gibt er nichts zu, sondern betrügt den Inhaber zugunsten der Geschäftspartner, damit die ihn aufnehmen, wenn er aus dem Job oder aus der Regierung fliegt. Ihm einen guten Job geben oder sonstwie versorgen. Ähnlichkeiten zu heutigen Menschen in Wirtschaft oder Regierungen sind beabsichtigt. Ich sehe, wie die Hörer und Hörerinnen an dieser Stelle gebannt auf Jesus hören und darauf warten, wie der die Abrechnung schildert. Sie wissen ja längst, dass der Herr in der Geschichte für Gott steht und der Verwalter für die, die nicht tun, was Gott will, die dunkle Geschäfte treiben. Dagegen sind sie die Erleuchteten, die Kinder des Lichts, so wie wir heute in Kirche und Gemeinde.

Und dann der Knaller, der Schlusssatz der Geschichte (L16,8): „Und der Herr lobte den betrügerischen Verwalter, weil er so schlau gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind schlauer im Umgang mit ihren Mitmenschen als die Kinder des Lichts.“ Also: Gott findet diese Gaunereien gut. Und Jesus lobt solche Verbrecher.

Ich stelle mir vor, wie den Leuten um Jesus der Unterkiefer herunterklappt und sie noch nicht wissen, wie sie protestieren sollen, als Jesus aus dem Sitzen ins Liegen wechselt, den Kopf wegdreht – Mittagsschlaf.

Ich sehe vor mir, wie ein paar der Jünger und Jüngerinnen leise aufstehen, ein paar Schritt weggehen. Ich höre, wie Judas sagt: „Ich hab’s: Es geht um Schuldenerlass!“ Er setzt sich auf ein Boot am Ufer, Petrus setzt sich dazu und der fängt gleich an, die herumliegenden Netze zu flicken wie er es gewohnt ist. Und die zwei erklären sich gegenseitig die Welt, den sogenannten römischen Frieden wie wir uns heute gegenseitig die soziale Marktwirtschaft erklären, bei der durch Binnenmärkte und internationale Handelsabkommen das Geld immer zu den Reichen fließt wie damals in die Hauptstadt des Weltreiches, an dessen Rändern die Menschen verhungerten. Wie damals Menschen Untergrundkämpfer wurden um zu überleben, auch wenn sie wissen ‚Die bringen mich um, die Soldaten‘, so wie wir heute sehen, dass Menschen für sich und ihre Familien die Flucht nach Europa auf sich nehmen, auch wenn sie wissen, wie brutal viele von ihnen dabei sterben.

„Schuldenerlass also“, grummelt Petrus, „meinst Du, es geht Jesu nur ums Geld? Ich glaube, da ist mehr. Sieh mal, mit welcher Energie dieser Verwalter um seine Zukunft kämpft. Welche verrückten Ideen er umsetzt. Und das findet der Chef dann gut und lobt ihn.“

 

Wie gut, dass Petrus mich nicht sieht, als er weiterredet. „Wir machen es uns manchmal so leicht. Natürlich sind wir für den Frieden. Natürlich träumen wir von Gerechtigkeit für alle. Solange diese Träume uns nicht um den Schlaf bringen, um unsere Bequemlichkeit – oder gar um unseren bescheidenen Wohlstand. Aber Jesus ist nicht für halbe Sachen zu haben.“ Wie gut, dass Petrus meine Gedanken nicht lesen kann zu Welterwärmung und Überflutung der Küstenstädte schon jetzt und was man nicht alles tun sollte. Ich höre Petrus: „Jesus will das volle Risiko, ganzen Einsatz. Deshalb hat er uns die Geschichte erzählt. Mit Bequemlichkeit hat seine Idee von Gottes neuer Welt nichts zu tun.“

Ich merke, dass Johannes neben dem Boot sitzt, alles mitgehört hat. Und sich jetzt vorsichtig einmischt: „Meint ihr nicht, dass ihr vielleicht ein wenig zu kurz greift? Ihr seid so ganz im hier und jetzt. Aber denkt doch, wie der Mann aus der Geschichte auch für seine Zukunft sorgt. Darin besteht doch gerade seine Gerissenheit, dass er überlegt, was er später einmal brauchen wird. Er baut vor für einen Zeitpunkt, der noch gar nicht eingetreten ist“.

 

Ich sehe gerne, wie Judas die Augenbrauen hochzieht und sich bei Petrus die Stirn in Falten legt. „Was soll das jetzt werden? Später einmal?“ denke auch ich. „Kommt jetzt endgültig der moralische Zeigefinger? Das Endgericht und Himmel und Hölle und all das, was wir zu denken haben? Will Johannes uns jetzt mit dem himmlischen Richter drohen?“ Doch Johannes macht anders weiter: „Der Mann ist ein Verschwender. Er erlässt den Schuldnern ihre Schulden, einfach so. Oder nein, natürlich nicht einfach so. Sondern weil er weiß, dass er damit die Welt von Morgen verändert. Habt ihr gehört, wie Jesus uns genannt hat? Kinder des Lichts. Und der da, von dem er spricht, ist doch eigentlich ein Dunkelmann. Aber er hat kapiert, dass sein Verhalten Auswirkungen hat auf die Welt von Morgen.“

Ja, wenn ich das so höre, dann kann ich da was mit anfangen. Ein Verschwender, der mit seiner Großzügigkeit die Welt von Morgen verändert. Ein Licht anzünden mit Blick auf das, was kommt. Geht es um den Himmel? Ja, vielleicht. Aber nicht nur um den Himmel am Ende aller Zeiten, sondern um das Licht des neuen Tages, das jetzt anbricht.

 

Heute, am Volkstrauertag, an die Menschen zu denken, die durch Krieg und Gewaltherrschaft ums Leben kamen, ist das eine. Wir teilen den Schmerz der Familien, die betroffen waren und heute noch sind. Wir wissen dabei, wie tief sich das Dunkel jener grausamen Zeit selbst in die Seelen derer eingegraben hat, die als Kinder und Enkel erst nach dem Ende des letzten großen Krieges in Deutschland geboren wurden. Daran zu denken, ist das eine. An die Wirkmächtigkeit des Dunkels.

Und dazu, das ist das andere, spricht Jesus von den Kindern des Lichts. Von verschwenderischer Güte, die auch ihre Spuren in der Welt hinterlässt. Aber andere Spuren.

Liebe Geschwister, spart nicht! Verschwendet!

Ich möchte enden mit dem Lied von Gerhard Schöne: „Spar deinen Wein nicht auf für morgen“. Lassen Sie es ihn selbst singen – Ihr findet den Link dazu unter diesem Video in den Anmerkungen. / Ihr findet den Text auf seiner Homepage www.gerhardschoene.de/lieder/spar.html, er singt es auf youtube.

Bleibt behütet!

PS: Ich danke dem Pfarrer aus Kiel für seine Predigt zu dieser Jesusgeschichte!